Ein echtes Problem scheinen viele Hundehalter mit dem Begriff „Rufweite“ zu haben. Aber auch anderen Personen bereitet dieses Wort Schwierigkeiten.
Es ist nämlich eine Bezeichnung für etwas, was man nicht wirklich klar definieren kann. Je nachdem wo man sich zu welcher Zeit mit seinem Hund befindet, kann es sein, dass Hunde frei laufen dürfen, solange sie sich in Rufweite befinden. Damit ist aber nicht die Entfernung gemeint, auf die ein Ruf hörbar ist, sondern die Entfernung, bei der noch sichergestellt ist, dass der Hund auf den Ruf reagiert und sofort kommt. Bereits die Hörbarkeit wäre eine vollkommen schwammige Formulierung, denn die Lautstärke, mit der unterschiedliche Personen rufen können, ist eben in sich schon nicht gleich.
Noch verschiedener ist die Entfernung, auf die Hundebesitzer auf ihre Tiere noch Einfluss haben. Es ist durchaus auf 10 m nicht selbstverständlich, dass ein Hund zuverlässig abrufbar ist, wenn plötzlich ein Hase oder ein Reh flüchtet und der Hund das sieht und hört. Diejenigen Hunde, die in einer solchen Situation wirklich mit Sicherheit zurück gerufen werden können, sind ganz bestimmt in der Minderzahl. Die meisten Hundehalter meinen, wenn Ihr Hund nur so ungefähr reagiert, solange nichts Besonderes passiert, dann sei es schon in Ordnung, ihn frei laufen zu lassen. Das ist es aber durchaus nicht, denn sobald der Hund an irgendetwas wirklich interessiert ist, ist der Gehorsam bei den meisten Hunden, die vom Besitzer von der Leine gelassen wurden, erst einmal vorbei.
Aber auch bei denen, die grundsätzlich von Wild und Katzen oder anderen Hunden weg gerufen werden können, ist eine Garantie dafür unmöglich, dass das wirklich immer funktioniert. Denn der Hund ist nicht an jedem Tag in gleicher Stimmung und gleich reaktionsfähig. Wenn er zum Beispiel unausgeglichen ist, weil aus irgendeinem Grund weniger mit ihm hinausgegangen worden ist, ich will schon gar nicht davon sprechen, dass weniger mit ihm gearbeitet worden ist, dann ist die Reizschwelle zum Hetzen natürlich stark herabgesetzt. Das hat dann zur Folge, dass in dem Moment, wenn der Jagdtrieb ihn übermannt und er anfängt diesen auszuleben, indem er hetzt, die berühmte Klappe runter fällt. Will heißen: Er registriert das Rufen gar nicht mehr. Er registriert nämlich überhaupt nichts mehr außer seinem Zielobjekt und der herrlichen Hatz, der er sich gerade mit Leib und Seele und allen Sinnen hingibt. Der Hund kann nichts dafür. Er geht lediglich seiner Natur nach.
Aber der Hundehalter kann etwas dafür, denn er hat eine Situation zugelassen, die er hätte vermeiden können. Darum ist der Begriff „Rufweite“ immer wieder neu zu definieren. Man muss seinen Hund und dessen Ausbildungsstand schon sehr genau kennen und beobachten können. Nur dann kann man die Tagesform wirklich so beurteilen, dass man seinem Hund gerecht werden kann. Und in Folge dessen Freiheiten nur in dem Maß gewährt, in dem man ihn noch sicher beeinflussen kann.
Aus dem gesamten Zusammenhang ergibt sich natürlich, dass ein Außenstehender, der einen frei laufenden Hund sieht, in keiner Phase beurteilen kann ob dieser sich wirklich in Rufweite befindet oder nicht. Das führt zwangsläufig zu unterschiedlichsten Auslegungen. Und unterschiedliche Auslegungen führen schnell zu Kontroversen. Es ist nur allzu menschlich, dass die schlechten Beispiele vordergründig im Gedächtnis bleiben. Es gab Zeiten, in denen manche Jagdschutzberechtigte eher bereit waren den berühmten Finger krumm zu machen, als es heute der Fall ist. Aber trotzdem: Ist der Hund erst weg, weil sein Besitzer die Rufweite überschätzt hat, und hetzt ein Stück Wild so muss man (leider) nach wie vor damit rechnen, dass dieser Hund im Rahmen des (immer noch) geltenden Rechts von einem Jäger abgeschossen wird. Kaum erwähnt werden muss wohl die Gefahr, bei der Gelegenheit einen Verkehrsunfall zu verursachen.
Abgesehen von dieser Gefährdung des eigenen Hundes werden diejenigen, die meine Seiten schon einmal etwas intensiver angesehen haben, wissen, dass ich der Meinung bin, dass man als Hundehalter auch eine Verantwortung für die Umgebung hat, in der man sich mit seinem Hund bewegt. Dazu gehört zwingend auch das frei lebende Wild. Letztlich sollte man doch erwarten, dass ein Hundehalter auch ein Freund aller Tiere ist. Und darum auch die Interessen der frei lebenden Tierwelt ebenso wichtig einschätzt wie die Interessen seines Hundes.
Daher bin ich der Überzeugung, dass die vielen Hunde, die nicht wirklich zuverlässig sind, im Wald und in der freien Landschaft nicht frei laufen sollten. Denn die Rufweite ist nun einmal ein sehr fragiler Begriff, der durch seine Tagesschwankungen und anderen Unwägbarkeiten keinerlei klare Definition zulässt.
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Ein Hund ist ein Hund und daher hat er die Bedürfnisse eines Hundes und nicht die eines Menschen!
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